Welcher Mangel ist im Sinne des Gesetzes erheblich?

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In Lehre und Rechtsprechung gibt es leider keine einheitliche Linie, so dass in jedem Einzelfall diese Frage neu geprüft werden muss. Allerdings bietet sich ein Maßstab an, der zur Bemessung der Erheblichkeitsgrenze herangezogen werden kann. So werden die Kosten, die zur Behebung des Mangels nötig würden, herangezogen, um die Erheblichkeitsgrenze zu präzisieren.

Danach dürfte dann von der Erheblichkeit auszugehen sein, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Behebbarkeit des Mangels und
  • Kosten der Behebung übersteigen 5 % des Kaufpreises oder
  • Mangelbeseitigungsaufwand erheblich oder
  • Beeinträchtigung erheblich.

So ist bereits vor der Reform des Kaufrechtes nach der entsprechenden alten Vorschrift aus § 459 Absatz 1 Satz 2 BGB a.F. verfahren worden. Dabei ist allerdings der Begriff des unerheblichen Mangels eng ausgelegt worden, also die Erheblichkeitsgrenze „niedrig“ gehalten worden. Nach der Begründung der Gesetzesänderung sollte dies auch unter Maßgabe der neuen Vorschrift des § 323 Absatz 5 Satz 2 BGB der Fall sein. In der folgenden Rechtsprechungspraxis ergab sich jedoch die Problematik, dass bei dieser Auslegung sich kaum noch Spielraum für Minderung oder den sogenannten kleinen Schadensersatz bestand, da die meisten Mängel danach „erheblich“ schienen und so der Rücktritt sich anbot. Auf diesem Hintergrund trachtete die Rechtsprechung in der Folgezeit danach, die eigentlich vom Gesetzgeber beabsichtigte Filterfunktion des § 323 Absatz 5 Satz 2 BGB dadurch widerherzustellen, dass die Erheblichkeitsschwelle deutlich angehoben wird. So ist zum Beispiel vertreten worden, die Erheblichkeit erst dann anzunehmen, wenn der Gesamtwert der Leistung in einem Umfang betroffen ist, der eine Minderung von 20% bis 50 % zulässt. OLG Bamberg, Urteil vom 10. April 2006, Az. 4 U 295/05:

So hat zum Beispiel das Oberlandesgericht Bamberg in seinem Urteil vom 10. April 2006 erklärt, in Übereinstimmung mit einer angeblich in der Literatur im vordringen begriffenen Ansicht jedenfalls im Bereich des Gebrauchtwagenkaufes eine Quote von 10 % des Kaufpreises als Erheblichkeitsschwelle keinesfalls als zu hoch einzuschätzen. Allerdings vermeidet das Gericht dies näher zu begründen, da es einen Fall vorliegen hatte, bei dem die Gesamtkosten einer Mängelbeseitigung weniger als 3 % des Kaufpreises ausgemacht hätten. Das Gericht hatte in diesem Fall die Erheblichkeit der Mängel verneint.

Daher dürfte dieses Urteil nicht zur Begründung einer 10 % Grenze dienen.

LG Coburg, Urteil vom 18. November 2008, Az. 22 O 513/07:

Das Landgericht Coburg hat in seiner Entscheidung vom 18. November 2008 hingegen im Falle des Kaufes eines Jaguars die Überschreitung der Erheblichkeitsgrenze verneint. Die Parteien hatten sich über den Kauf eines Jaguar es zu einem Kaufpreis von 98.000,00 € geeinigt. Die Parteien gerieten in der Folgezeit über Geräusche in Streit, die gemäß Sache stimmige Begutachtung durch eine Automatikantenne entstehen würden. Insofern fordern Nachbesserungskosten in Höhe von 3700,00 € festgehalten worden. Dies hatte ca. 3,7 % des Kaufpreises ausgemacht. Das Gericht ließ dabei die Frage, bei welchem Anteil der Mangelbeseitigungskosten an dem Kaufpreis die Grenze der Erheblichkeit zu ziehen sein würde unbeantwortet und stellte darauf ab, dass bei der Beurteilung der Erheblichkeit nicht nur die Gesamtkosten der Mangelbeseitigung maßgeblich sein sondern zugleich auch die Frage, welcher Aufwand absolut anfallen würde sowie der Grad der Beeinträchtigung der Nutzbarkeit des Fahrzeuges durch den Mangel eingetreten ist. In dem vorliegenden denn Fall hatte ein Sachverständiger festgestellt, dass beim Betrieb der Automatikantenne unangenehme falls Geräusche aus der Funktionsgeräuschkulisse des Fahrzeuges sehr unangenehm gerade in dem ständig benutzten Geschwindigkeitsbereich heraus ragen, was insbesondere im Hinblick auf die berechtigterweise bestehenden gehobenen Ansprüche im höheren Preissegment als störend empfunden werden müsse. Das Landgericht Coburg stützte sich dabei auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichtes Köln vom 27. März 2008.

OLG Köln, Urteil vom 27. März 2008, Az. 15 U 175/07:

In diesem Verfahren ging es um einen Kaufvertrag über einen Mercedes Benz SLK Roadster zu einem Brutto-Kaufpreis von 53.713,80 €, bei dem Mängel an den Lautsprecherboxen, dem Mobiltelefon, der PIN-Abfrage des Audiosystems sowie der Klima- und Heizungsanlage bestanden.

Das Gerichtsetzt sich bei seiner Entscheidung, die Erheblichkeit der Mängel zu bejahen, intensiv mit den Rechtsmeinungen zur Erheblichkeitsgrenze auseinander und kommt aber zu dem Ergebnis, dass eine Erheblichkeit schon allein deswegen zu verneinen sei, weil der insofern beweisbelastete Verkäufer trotz eines gerichtlichen Hinweises sich nicht substantiiert zu den voraussichtlichen Mangelbeseitigungskosten geäußert hatte. Die Beweislast des Verkäufers ergebe sich aus der negativen Formulierung aus Paragraph 323 Abs. 5 Satz 2BGB.

Das Gericht hält zunächst fest, dass die Beurteilung der Frage, ob die Pflichtverletzung eines Schuldners unerheblich im Sinne dieser Vorschrift ist, eine Abwägung der Interessen des Gläubigers an einer Rückabwicklung des Vertrages unter der Schuldners am Bestand des Vertrages unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles erfordert. Dabei führt das Gericht aus, dass es für die Beurteilung der Erheblichkeit zumindest auch auf die objektive Störung der Pflicht des Verkäufers ankommt, d.h. auf das Ausmaß der Mangelhaftigkeit, ist bei der Abwägung insbesondere zu berücksichtigen, ob und gegebenenfalls mit welchem Kostenaufwand ist ja Mangel beseitigen lässt. Bei der danach nötigen Grenzziehung hinsichtlich des Anteiles der Mangelbeseitigungskosten an dem Kaufpreis möchte das Oberlandesgericht Köln sich an den Grundsätzen orientieren, die die Rechtsprechung zu Paragraph 459 Abs. 1 Satz 2 BGB alter Fassung entwickelt hatte.

Bei der folgenden, wegen der bloßen Beweislastentscheidung nur noch hypothetischen Auseinandersetzung kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass eine Grenzziehung bei 5 % des Bruttokaufpreises vorzunehmen wäre.

BGH, Urteil vom 29. Juni 2011, Az. VIII ZR 202/10:

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom neunte 20. Juni 2011 im Falle eines neu gekauften Wohnmobil ist festgehalten, dass auch im gehobenen Preissegment jedenfalls dann der Rücktritt vom Kaufvertrag über einen begehbaren Mangel ausgeschlossen ist, wenn die Kosten der Behebung ein Prozent des Kaufpreises nicht übersteigen.