Panikreaktion im Straßenverkehr

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 26. April 2005 (Az. VI ZR 168/04 entschieden, dass ein Schaden in Folge einer voreiligen, also objektiv nicht erforderlichen, Abwehr- und Ausweisreaktion dem Betrieb des Kraftfahrzeuges zugerechnet werden kann, dass diese Reaktionen ausgelöst hat.

Sachverhalt:

Der Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus einem Unfall in einer Tiefgarage geltend. Er und der Beklagte zu 1.) besitzen dort jeweils einen Stellplatz. Der von dem Beklagten zu 1.) gemietete Stellplatz befindet sich direkt rechts hinter der Ein- beziehungsweise Ausfahrtrampe der Tiefgarage. Er muss auf der Rampe nach links ausholen, um dann rechtwinklig nach rechts in seine Parkbox einfahren zu können.

Am 8. Januar 2003 fuhr der Beklagte zu 1.) mit seinem VW-Bus die Abfahrten zu der Tiefgarage herunter. Der Kläger wollte diese mit seinem Fahrzeug verlassen und kann dem Beklagten zu 1.) entgegen. Als die Fahrzeuge noch drei bis fünf Meter voneinander entfernt waren, lenkte er plötzlich nach rechts und sein Pkw kollidierte mit der Wand der Tiefgarage.

Die Ursache dieses Manövers ist zwischen den Parteien streitig. Nach der Darstellung des Klägers ist der Beklagte zu 1.) plötzlich über die Trennlinie der beiden jeweils 2,90 Meter breiten Fahrspuren der Ab- bzw. Auffahrt gefahren, sodass er selbst nach rechts ausweichen und deshalb an die Wand gefahren sei. Nach der Darstellung der Beklagten hatte der Beklagte zu 1.) lediglich einen kleinen Schlenker innerhalb seiner eigenen Fahrspur nach links gemacht, jedoch sofort nach rechts zurückgelegt, nachdem er das klägerische Fahrzeugs gesehen habe.

Gründe:

Das vorinstanzliche Landgericht Berlin hatte eine Haftung der Beklagten noch mit der Begründung abgelehnt, die Ausweichlenkung des Geschädigten sei als gravierender Fahrfehler in Folge einer ungerechtfertigten Panikreaktion zu werten.

Dem hatte der Bundesgerichtshof widersprochen und ausgeführt, das Haftungsmerkmal „bei dem Betrieb“ (aus § 7 Abs. 1 StVG) sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Vorschriften weit auszulegen. Die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG umfasse daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe. Es genüge, dass sich eine von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr ausgewirkt habe und das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug mitgeprägt worden ist.

Ob dies der Fall ist, so führt in der Bundesgerichtshof weiter aus, müsse mittels einer am Schutzzweck der Haftungsnorm orientierten wertenden Betrachtung beurteilt werden. An diesem auch im Rahmen der Gefährdungshaftung erforderlichen Zurechnungszusammenhang fehle es, wenn die Schädigung nicht mehr eine spezifische Auswirkung derjenigen Gefahren ist, für die die Haftungsvorschrift den Verkehr schadlos halten will.

Für eine Zurechnung zu Betriebsgefahr komme es maßgeblich darauf, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhangs mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges stehe. In diesem Lichte, so führt der Bundesgerichtshof weiter aus, könne die Auffassung des Berufungsgerichtes, es fehle der Zurechnungszusammenhang, weil der Geschädigte nicht objektiv nachvollziehbar von einer Gefährdung durch das Fahrzeug des Unfallgegners habe ausgehen dürfen, stehe mit dieser Rechtsprechung nicht im Einklang.

Danach könne vielmehr selbst ein Unfall in Folge einer voreiligen also objektiv nicht erforderlichen Abwehr- und Ausweisreaktion gegebenenfalls den Betrieb des Kraftfahrzeuges zugerechnet werden, dass diese Reaktionen ausgelöst hat.

Aus diesen Erwägungen hat der Bundesgerichtshof die Sache an das Berufungsgericht (Landgericht Berlin) zurückverwiesen, da eine abschließende Entscheidung in Ermangelung der so erforderlichen weiteren Feststellungen nicht möglich war.

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