Berechnung von Kündigungsfristen

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Der BGH hat in seinem Urteil vom 27. April 2005 (Az. VIII ZR 206/04) entschieden, dass der Sonnabend bei der Berechnung der sogenannten „Karenzzeit“ von drei Werktagen, die den Parteien eines Wohnraummietvertrags zur Wahrung der Kündigungsfrist zusteht, mitzuzählen ist, weil er ein Werktag im Sinne der gesetzlichen Regelung ist.

Sachverhalt:

Der Entscheidung lag ein Mietvertrag aus dem Jahre 2000 zu Grunde, u.a. folgende Regelung enthielt:

„Das Mietverhältnis beginnt am 1.09.2000 und endet am 31.8.2001. Es verlängert sich jeweils um 1 Jahr, wenn es nicht unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von 3 Monaten spätestens am 3. Werktag des ersten Monats der Frist schriftlich gekündigt wird. Die Kündigungsfrist verlängert sich nach 5, 8 und 10 Jahren seit der Überlassung des Wohnraumes um jeweils 3 Monate.“

Mit Schreiben vom 3. Juni 2002 kündigte die Mieterin das Mietverhältnis. Das Schreiben ging am 5. Juni 2002, einem Mittwoch, bei der Vermieterin ein. Mit Schreiben vom 14. Juni 2002 erklärte die Vermieterin, die Kündigung zum 31. August 2003 zu bestätigen. Die Mieterin räumte die Wohnung bereits zum 31. August 2002.

Im Hinblick auf die Erklärung der Vermieterin, die Kündigung erst zum 31. August 2003 zu akzeptieren, zahlte die Mieterin die Miete bis Januar 2003.

Die klagende Mieterin begehrte die Rückzahlung der seit September 2002 an die Vermieterin gezahlten Miete, was ihr vom Amtsgericht verweigert wurde. Das Landgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Gründe:

Diese Entscheidungen sind vom Bundesgerichtshof mit der Begründung bestätigt worden, die Kündigung der Mieterin sei nicht bereits am dritten Werktag des Monates Juni 2002 bei der Vermieterin eingegangen, wie es für eine Beendigung zum 31. August 2002 erforderlich gewesen wäre, so dass sich das Mietverhältnis um ein weiteres Jahr verlängert habe.

Dabei stellte der Bundesgerichtshof zunächst die Wirksamkeit der benannten Vertragsklausel fest und befasste sich im zweiten Schritt mit der Frage, ob der Sonnabend im Sinne dieser Vorschrift als Werktag anzusehen ist. Dies war in dem genannten Fall entscheidungserheblich, da die Kündigung der Mieterin nicht rechtzeitig eingegangen wäre, wenn der Sonnabend mit ein zu rechnen gewesen wäre. Der 1. Juni 2002 war ein Sonnabend, so dass die Drei-Tages-Karenzzeit bei Einrechnung dieses Tages am 4. Juni 2002 und nicht erst am 5. Juni, dem Tage des tatsächlichen Zugangs der Kündigung abgelaufen wäre.

Der BGH kommt zu dem Ergebnis, der Sonnabend sei ein Werktag im Sinne des § 565 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. (§ 573 c Abs. 1 Satz 1 BGB) ist, der insoweit in § 2 Satz 2 des Mietvertrags lediglich inhaltsgleich wiedergegeben sei.

In diesem Zusammenhang stellt der BGH zunächst fest, dass es keiner Entscheidung bedürfe, ob die Karenzzeit sich nach § 193 BGB verlängern würde, wenn der letzte Tag der Karenzzeit auf einen Sonnabend fällt, da es in dem zu entscheidenden Fall darum ging, dass nicht das Ende der Karenzzeit auf einen Sonnabend gefallen ist, sondern vielmehr der Beginn. § 193 BGB beträfe hingegen aber nur den Fall, in dem eine rechtserhebliche Erklärung an einem Sonnabend abzugeben wäre.

In Rechtsprechung und Literatur wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass sich die Karenzzeit nach § 193 BGB auf den nächsten Werktag verlängern würde, wenn der letzte Tag der Karenzzeit auf einen Sonnabend fallen würde (Vgl. LG Aachen, Urteil vom 22.10.2003, WuM 2004, 32, LG Wuppertal, Urteil vom 06.07.1993, WuM 1993, 450). Danach solle § 193 BGB bezwecken, die Wahrung der Sonn- und Feiertagsruhe, durch die Einfügung des Samstages auf Grund der Änderung der Vorschrift vom 10. August 1965 erweitert auf das Wochenende, in der Form gewährleisten, dass an diesen Tagen keine rechtsbedeutsamen Erklärungen abgegeben werden sollen.

Darüberhinausgehend wird der Regelung in § 193 BGB entnommen, der Samstag – der in weiten Teilen der Privatwirtschaft und der öffentlichen Verwaltung arbeitsfrei sei und mithin der Freizeitgestaltung diene – wie ein Sonntag oder Feiertag zu behandeln sei. Dies entspreche auch einer sachgerechten Auslegung des § 573 c BGB, weil die Karenzzeit eine dem Schutz des Kündigenden dienende Überlegungs-, Vorbereitungs- und Erledigungsfrist sei, für die ihm drei Arbeitstage zur Verfügung stehen müssten, zumal am Sonnabend unter Umständen kein Rechtsrat eingeholt werden könne (MünchKomm BGB/ Häublein, 4. Aufl., § 573 c Rdn. 12; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 9. Aufl., § 573 c Rdn. 8 m.w.Nachw).

Dieser Auffassung erteilt der BGH mit der Begründung eine Absage nach dem gesetzlichen und dem allgemeinen Sprachgebrauch sei auch der Sonnabend ein Werktag. Da weder § 565 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. noch die früheren Fassungen oder die Gesetzesmaterialien hierzu eine Regelung hinsichtlich des Werktagsbegriffes erkennen ließen, sei davon auszugehen, dass der Begriff des Werktags in § 565 Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. (§ 573 c Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht anders zu verstehen ist als in anderen gesetzlichen Bestimmungen und im allgemeinen Sprachgebrauch.

Aus anderen gesetzlichen Regelungen ergebe sich gerade, dass der Sonnabend vom Gesetzgeber als Werktag angesehen werden würde. Als Beispiele nennt der BGH Art. 72 Abs. 1 Satz 2 des Wechselgesetzes, Art. 55 Abs. 1 des Scheckgesetzes, § 676 a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 BGB, § 3 Abs. 2 des Bundesurlaubsgesetzes, Regelungen des Arbeitszeitgesetzes,

Nichts anderes würde sich aus Wortlaut und Zweck des § 193 BGB ergeben. § 193 BGB stelle zwar den Sonnabend den Sonn- und Feiertagen gleich, wenn dieser auf einen für die Abgabe einer Willenserklärung oder die Bewirkung einer Leistung bestimmten Tag oder den letzten Tag einer Frist fällt. Daraus folge jedoch nicht, dass der Gesetzgeber den Sonnabend nicht mehr als Werktag ansehen wollte. Die Gleichstellung des Sonnabends mit Sonn- und Feiertagen für den Sonderfall des Fristablaufs beruhe auf einer durch das Gesetz über den Fristablauf vom 10. August 1965 (BGBl. I S. 753) bewirkten Gesetzesänderung. Nach der Entwurfsbegründung sollte die Gesetzesänderung lediglich dem Umstand Rechnung tragen, dass mehr als die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung am Sonnabend nicht mehr arbeiten würde, was zu Unzuträglichkeiten bei der Fristwahrung an diesem Tag führe (BT-Drucks. IV/3394 S. 3); der bisherige Zustand habe zur Folge, dass die Bevölkerung genötigt sei, Fristen und Termine gegenüber Gerichten, Behörden und Banken auch an einem Sonnabend zu wahren, obwohl diese am Sonnabend nicht mehr arbeiteten. Demgemäß sollte der Sonnabend bei dem Ablauf von Fristen und für die Wahrnehmung von Terminen grundsätzlich ebenso behandelt werden wie ein Sonntag oder Feiertag. In der Entwurfsbegründung ist ausdrücklich festgehalten, dass durch die gesetzliche Regelung am Charakter des Sonnabends als einem Werktag nichts geändert werden sollte.

Schließlich stelle auch der allgemeine Sprachgebrauch den Sonnabend nicht den Sonn- und Feiertagen gleich. Die Wörterbücher Brockhaus Enzyklopädie (Deutsches Wörterbuch, 19. Aufl., 1995) und Duden (Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 3. Aufl., 2002) erläutern den Werktag übereinstimmend als „Tag, an dem allgemein gearbeitet wird (im Unterschied zu Sonn- und Feiertagen); Wochentag“.